Mein erster Marathon auf historischem Pflaster

SZENE. Mein Name ist Katrin, ich bin 43 Jahre alt und Mutter von drei Kindern. Bis vor einigen Jahren hatte ich mit Sport nicht allzu viel am Hut. Mein Mann Thomas und sein Bruder waren schon immer begeisterte Biker und Läufer und sind schon so manchen Halbmarathon und Marathon gelaufen. Sport ist ja bekanntlich nicht ansteckend, aber als ich anfing auch mal mit zu trainieren, gefiel mir seine Anerkennung und ich gab mein Bestes. Im letzten Jahr bin ich den Jakobsweg gepilgert und habe festgestellt, dass ich ein ganz schön zähes Luder bin. Ich bin eine Kämpfernatur, die im Leben nicht so schnell die Flinte ins Korn wirft, wenn es mal schwierig wird.

Schon länger hatten wir von dem besonderen Marathon in Jerusalem gehört, bei denen man auf den Spuren Jesu inmitten grandioser historischer Stätten 3000 Jahre Geschichte Jerusalems durchlaufen und nebenbei die faszinierende Aussicht genießen kann. Gegenwärtig bereiten wir die Erstkommunion und Firmung unserer Kinder vor und sind mit dem Leben Jesu vertraut. So reizte uns, kurz vor Ostern mit LAUFREISEN auf den Spuren der Bibel Sportevent und Kulturreise miteinander zu verbinden. Für mich der erste Marathon und Gedanken über die anstehenden Höhenmeter machte ich mir keine. Unbedarft sah ich der Reise entgegen. Thomas freute sich, dass ich plante, mit ihm den Jerusalem-Marathon zu laufen. Er kennt mich und weiß, dass ich nicht so leicht unterzukriegen bin, wenn ich mir etwas vornehme. So trainierte ich auf dem Laufband im Keller vor dem Bildschirm und schaute nebenbei unterhaltsame Filme. Drei Wochen vor der Abfahrt organisierte ich meinen Haushalt, suchte mir eine spannende Serie im Fernsehen, legte mir Feigen und Datteln als Energiereserve bereit und lief fünf Stunden im Keller meine ersten 42,192 Kilometer. Also, es konnte losgehen. Ich werde es schaffen. Das war das Ziel!

Kurz nach der Ankunft stellten sich die mitreisenden Läuferinnen und Läufer individuell vor. Als ich hörte, welche Erfahrungen und Lauferfolge die anderen Läufer aufzuweisen hatten, fragte ich mich dann doch, was ich hier eigentlich mache. Nach einer kurzen Blitzdepression versuchte ich dem Lauf gedanklich die besten Seiten abzugewinnen. Als wir uns Start- und Zielzone anschauten, war ich beruhigt. Ich schaffe das! Mein Gedanke war. Hauptsache die Finisher-Medaille.

Katrin mit dem israelischen Läuferidol.

Am Marathonmorgen liefen sich die anderen Läufer draußen schon warm. Ich lag noch im Bett und  dachte, es wäre gut, wenn ich meine Kräfte noch ein bisschen schone und konzentrierte mich auf mein Outfit, meine Haarfrisur und mein Makeup, das durch die Anstrengung nicht verlaufen sollte. Voller Enthusiasmus gingen wir an den Start. Thomas war meine fürsorgliche Laufbegleitung. Er stellte seinen persönlichen Ehrgeiz hinten an und lief die ganze Zeit neben mir. Er wollte, dass ich es bis zum Ziel schaffe.

Bis Kilometer 18 war ich so motiviert, dass ich mit jungen Leuten am Rand noch „High Five“ machte. Bis Kilometer 21 lief es gut. Thomas schleppte die Getränke und  postete alle paar Kilometer Fotos an die Familie. Wir freuten uns auf die historische Altstadt. Dann stießen wir auf die Gruppe der 10 Kilometer- Teilnehmer, die voller Begeisterung und Energie unterwegs waren. Gerade verließ mich kurzzeitig meine Kraft, als ein langer Tunnel kam. Laut schallte der Titel „We are the champion“ durch den Tunnel. Es war perfekt. Nach dem Tunnel ging es für drei Kilometer steil bergauf. Das Laufen fiel zusehends schwer. Das war mein persönlicher Kreuzweg. Wir wussten, dass das Grab von Oskar Schindler in unmittelbarer Nähe war. Ich hatte mir vorher einen Stein in die Laufhose gesteckt und geplant, ihm einen Besuch abzustatten. Der Film über ihn hatte mich im Vorfeld schwer beeindruckt. Da ich aber zu den langsamsten Läufern dieses Marathons gehörte und bei fast sechs Stunden Angst hatte, dass die Tribüne abgebaut und die Medaillenverteiler schon Zuhause sind, mussten wir den Plan verwerfen und weiter auf der Strecke bleiben. Geflasht war ich von drei Sportlern, die abwechselnd ein Mädchen mit Behinderung im Rollstuhl während ihres Marathons schoben. Was für eine Leistung! Dabei waren sie schneller als ich.

Katrin und Thomas glücklich im Ziel des Jerusalem-Marathon 2023.

Als meine Kräfte drohten zu versagen, waren es immer wieder die Menschen am Rand, die uns mit ihren Rufen, ihrem Jubel und ihrem Applaus motivierten und anspornten. Sie riefen: „You are the best“ und ich war überzeugt, sie haben recht und mir rannen die Tränen übers Gesicht. Endlich war der blaue Teppich zu sehen. Frenetischer Jubel am Straßenrand und die Musik von “Womanizer” von Britney Spears empfing uns. Aus dem Lautsprecher ertönte: Welcome Katrin und Thomas from Germany. Mit allerletzter Kraft kämpfte ich mich dem Ziel entgegen. Geschafft! Noch schnell die Medaille um den Hals und dann konnte ich nur noch heulen vor Glück. Meine Fußnägel, die sich alle gelöst haben und die Blasen an den Zehen werden wieder heilen, aber dieses Erlebnis, das nimmt uns niemand. Das geht ein in die Familiengeschichte.

Ein ausführlicher Bericht über den Jerusalem-Marathon folgt in den kommenden Tagen!