Thank you New York!

IM FOKUS. Mit Katrin Weidlich beim New York Marathon. Unser Marathon-Rookie erzählt seine Geschichte eines einmaligen Lauferlebnisses.

Mit großen Erwartungen und voller Freude machte ich mich auf den Weg in die Stadt, die niemals schläft, der größten Herausforderung meines noch jungen Marathonlebens, entgegen. Dass ich so viele Tränen vergießen würde, hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht geglaubt.

Als Reisebegleiter hatte ich meinen Bruder Christoph verpflichtet. Wir beide sind vor zwei Jahren den Jakobsweg gepilgert und so dachte ich, dass dieses Event ein gutes Bruder-Schwester-Ding sein könnte. Mein Mann Thomas, als leidenschaftlicher Läufer hatte sich zu spät entschlossen, mitzulaufen, da waren alle 55.000 Karten bereits vergeben.

5 Tage vor dem großen Ereignis landeten wir in NY. Es war der Halloweentag. Der Pilot wandte sich nach der Landung explizit an die Fluggäste, die wegen des Marathons angereist waren: „Ich wünsche allen Läufern, die am Sonntag am Marathon teilnehmen, viel Spaß und kommen sie gesund durch!“

Ich fühlte mich sofort angesprochen und schon waren sie da, die ersten Tränchen der Freude. Nach einem kurzen Stopp im Hotel nutzten wir den Rest des Abends um das amerikanische Halloweenspektakel zu erleben. Verrückt, die Amerikaner, komplett Verkleidungs- und Grusel-Wahn. Selbst ich als großer Fan des Kölner Karnevals war überwältigt von den liebevoll designten Kostümen, der ausgelassenen Stimmung und der Halloween-Parade in der Cannabis geschwängerten Luft, der man sich kaum entziehen konnte.

Am Morgen beschäftigten wir uns mit der Laufstrecke. Zuhause hatte ich mich schon verrückt gemacht, wegen den Höhenmetern der fünf Brücken auf der Laufstrecke. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es besser ist, wenn man sich keine großen Gedanken macht und alles auf sich zukommen lässt. Man muss es sowieso so nehmen wie es ist. Da unser Trip eine gebuchte professionelle Laufreise war, gab es einige Termine des Veranstalters. Für 17 Uhr war im Hotel ein Briefing angesetzt, indem alle wichtigen Fragen zur Sprache kamen. Wir konnten uns nicht lange aufhalten, denn am Broadway erwartete uns 18 Uhr die erotische Show Moulin Rouge.

Überall auf den Straßen sah man Läufer trainieren. Ich sparte mir meine Kräfte auf und wir genehmigten uns nach einem Tag Sightseeing noch eine weitere Broadwayshow zur Entspannung. Kultur ist wichtig und bei dem Musical „Spamalot“ inklusive dem Monty Python typischen Song „Always Look on the Bright Side of Life“ konnten wir so noch einmal so richtig ablachen.

Am nächsten Tag gleich nach dem Aufstehen traf sich unsere Laufgruppe um 7 Uhr zu einem 6km-Lauf im Central-Park, immer an den grünen Ampeln entlang. Einige Läufer kannte ich vom Israel-Marathon. Heute war ein wichtiger Tag. Wie Kinder freuten wir uns und liefen unbeschwert bergauf und bergab, aber immer den Straßenbelag im Auge habend, denn es gibt zahlreiche Schlaglöcher. Das abschließende Gruppenfoto gab uns ein Gefühl von familiärem Miteinander.

Am Nachmittag stand an der Marathonexpo die Vergabe der Startunterlagen auf der Liste. Eigentlich klang das nicht spektakulär, aber was uns dort erwartete, war der Hammer. Auf riesigen Dekowänden verschiedener Aussteller gab es zahlreiche Möglichkeiten Fotos rund um den Marathon zu machen, auf der Laufstrecke, auf der Bücke oder mit dem Gesamtstreckenabschnitt. Alle 55.000 Namen der Läufer waren an einer Wand zu lesen und es gab sogar mehrere Monitore, auf dem man in 5km- Abschnitten die ganze Strecke visuell von Anfang bis Ende inklusive Höhenmeter, Straßenverlauf und Bands erkunden konnte. Ich suchte meinen Namen an der Bildwand und musste schon wieder heulen. Zu sehen, dass ich dazugehörte, eigereiht in die „Wall of Fame“ der Läufer der Welt machte mir Gänsehaut. Allerseits war der Ruf „Good Luck“ zu hören.

Am Merchandisingstand wurde gnadenlos eingekauft. Mein neues Lauf Shirt zog ich gleich für die vielen Selfies, die ich schoss, an. Der Verkäufer an der Kasse erkundigte sich, woher ich komme und den wievielten Marathon ich hier laufe, läutete zusammen mit allen anderen Verkäufern dann laut jeweils eine Glocke und rief meine Antworten laut durch die Halle. So erging es allen Einkäufern. Das machte das Herz so warm, dass selbst mein Bruder ergriffen war. Die Freundlichkeit der Amerikaner ist unbeschreiblich. Eine Freundlichkeit, die stets ein Lächeln auf die Gesichter zaubert und eine gute Stimmung verbreitet. Sie grenzt ans Absurde und reißt mich immer wieder mit. Selbst im Gespräch mit einem Unbekannten fühle ich mich schnell so, als würde ich mit meinem besten Freund plaudern. Und das hier in der Expo Halle, das war kein Balsam, das war Champagner für meine Seele. Hier steppte der sprichwörtliche Bär.

Ich geriet so in Kauflaune, dass ich mir ein mobiles Massagegerät gekauft habe, das wir am Abend gleich ausprobierten. Gern wäre ich noch auf der Expo geblieben, aber es wartete bereits die Parade der Nationen im Central Park auf uns. Hier ging was ab! Schon aus der Ferne war lautes Trommeln zu hören. Der Weg war mit den Fahnen aller Länder gesäumt.  Läufer aller Nationen versammelten sich in Ländergruppen. Auf Schildern war das jeweilige Land zu lesen. Mit frenetischem Jubel, die Landesflagge schwenkend zogen die Läufer in Gruppen an der Tribüne vorüber. Manche Läufer trugen Nationalkleidung und man konnte nur staunen über das ausgelassene Temperament einzelner Länder Vertreter. Die Brasilianer machten mit einer Trommelgruppe richtig Stimmung. Es wurde getanzt, gesungen und sich umarmt. Unter den Läufern aller Länder herrschte Freude pur. Und wieder war es da, das Gänsehaut Feeling.

Wir Deutschen waren da etwas nüchtern unterwegs. Sind wir wirklich „steifer“ als andere? Zuhause ist mir das noch nie aufgefallen, aber hier scheint an dem Klischee doch etwas dran zu sein.

Den Samstag verbrachten wir mit meinem Mann Thomas und meinen Eltern, die auch nach New York gekommen waren, um mich anzufeuern und das Feeling des Großereignisses zu erleben. Mit Wehmut und blutendem Läuferherz ertrug mein armer Thomas meine Euphorie.

Wer in NY gesund essen will, muss das Portemonnaie weit aufmachen. Da lernt man sein Heimatland neu schätzen. So versuchte ich mich mit Obst über Wasser zu halten. Nicht umsonst hatte ich mich gemartert und sieben Kilo abgenommen. Das wollte ich nicht aufs Spiel setzen.

Endlich kam der Sonntagmorgen, dem ich und viele Läufer schon lange entgegengefiebert hatten. Der Wecker klingelte um 4 Uhr. New York meinte es gut mit uns und schenkte uns in der Nacht eine Stunde Zeitumstellung. Gut das im Hotel ein Wakeup-Call zu buchen war, so waren wir mit der Zeit auf der sicheren Seite und nicht noch ein Stunde zu früh am Bus.

Um 5 Uhr war dann Abfahrt. Gefühlt 1.000 Busse brachten die Läufer durch die Sicherheitskontrolle nach Staten Island zum Sammelplatz. Das Wetter versprach phänomenal zu werden. Es war eine super Stimmung. Wir konnten den Start kaum erwarten. Meinem Vater hatte ich ein Shirt mit der Aufschrift „Proud Dad of a Marathon Runner“ drucken lassen, das über seiner Bauchwölbung breit lesbar war. Er kann nicht verstehen, dass sich Menschen darauf freuen können, sich mit 42km Laufen zu kasteien. “Du warst doch früher nicht so“!

Die Atmosphäre am Sammelplatz ist schwer zu beschreiben. Alt und Jung vereint im Glücksgefühl und voller Adrenalin. Die Laufgruppen waren nach ihren angegebenen Laufleistungen in 5 Wellen aufgeteilt, innerhalb derer noch eine Unterteilung nach sogenannten Corrals erfolgte. Da ich zur letzten Welle und vorletzten Corral (D-Orange) gehörte, war der Start erst für 11.30 Uhr terminiert.

Riesige Trucks boten Bagles und heißen Tee an. Ich war so aufgeregt, dass ich keinen Bissen runterbekam. Auch „Beruhigungshunde“ zum Streicheln waren vor Ort. Für die Morgenkühle hatte ich mir beide roten Ponchos, die Thomas und ich beim München Marathon vor ein paar Wochen bekommen hatten, übergezogen, die dann mit allen warmen Klamotten der Starter in großen Kisten als Spende für Obdachlose landeten.

Schnell stellte ich fest, dass wohl jeder Läufer seine eigenen Gründe dafür hat, warum er diesen Marathon läuft….

Weiter an der Geschichte von Katrin ineressiert, dann werft einmal einen Blick in die kommende LAUFZEIT, die ab Mitte Dezember im Handel erhältlich ist.